Dienstag, 29. Mai 2007

Von Grünen, Russen und Neonazis

Es ist ja jetzt schon einige Tage her, aber dennoch möchte ich es hier kommentieren: Die Festnahme des Grünen-Abgeordneten Volker Becks in Moskau während der Teilnahme an einer untersagten Homosexuellen-Parade, bei der es wohl etwas rau zuging.

Wer mehr über die Hintergründe erfahren will, den verweise ich auf Google oder auf den Spiegel.

Schon ist in unserer Bana-... ähm... Bundesrepublik der Aufruhr groß: Beim G8-Gipfel solle Frau Kanzlerin Merkel doch gefälligst gegen so etwas bei Putin protestieren, und überhaupt, was fällt den Russen eigentlich ein, eine Schwulendemo zu verbieten?

Über den Verlauf der Festnahme und der Demonstration kann ich schwerlich etwas aussagen, da ich nicht anwesend war. Auch über das Verbot der Schwulendemo kann man diskutieren, was ich aber jetzt nicht tun werde, weil es nicht den Kern der Sache trifft; dieser nämlich ist, daß der gute Herr Beck in ein fremdes Land gereist ist mit der Absicht, an dieser Parade teilzunehmen im vollen Bewußtsein, daß diese aufgrund des enormen Krawallpotentials behördlich verboten worden war - und sich dann hinterher lautstark beschwert, daß er bei dem (wie gesagt zu erwartenden) Tumult etwas abkriegt und dann auch noch verhaftet wird.

Lieber Herr Beck: Es obliegt Ihnen als Mitglied des Bundestages nicht, in anderen Ländern Ihre Vorstellungen von Versammlungsfreiheit und sexueller Selbstverwirklichung unters Volk zu bringen.
Wer in ein anderes Land reist und dort vorsätzlich die Gesetze bricht, muß damit rechnen, daß er dann auch einmal ganze zwei Stunden in U-Haft verbringen darf.

Hiermit will ich nicht das gewaltsame Vorgehen der Gegendemonstranten rechtfertigen. Was ich sagen will ist das, was ich gesagt habe: Wer die Hand auf die Herdplatte legt, verbrennt sich.

Dann möchte ich noch ein Wort zur Berichterstattung verlieren, und dieses Wort heißt "Neonazis". Genaugenommen sind es zwei Wörter, nämlich "mutmaßliche Neonazis" - dieser Begriff taucht in den Medien in Zusammenhang mit diesem Vorfall bzw. mit den involvierten gewaltsamen Gegendemonstranten auf, so z.B. auch in oben verlinktem Spiegel-Artikel.
Denken wir einmal scharf nach: Ist es plausibel, daß es in Rußland, das zig Millionen Opfer im Kampf gegen das Dritte Reich zu beklagen hat und noch heute stolze Militärparaden zur Feier der deutschen Kapitulation 1945 auffahren läßt, eine nennenswerte Neonazi-Szene gibt? Eine, die über die Nennenswertigkeit hinaus sogar imstande ist, eine großangelegte Gegendemonstration zu einer Homosexuellen-Parade zu organisieren?

Irgendwie nicht!

Aber überraschen tut es mich auch nicht. Der Begriff "Neonazi" wird heutzutage in einer derart inflationären Weise benutzt, daß niemand mehr so recht weiß, was er eigentlich bezeichnet - es aber zu wissen glaubt. Dabei ist "Nationalsozialist" und dementsprechend auch "Neo-Nationalsozialist" ein relativ scharf definierter Begriff für den Anhänger einer spezifischen Weltanschauung. Diese Weltanschauung ist zwar selbst ein wenig ungenau umgrenzt, weil sie völlig blödsinnig ist und sich im Wesentlichen aus anderen das zusammenklaut, was ihr gerade paßt, aber es bleibt dennoch festzustellen, daß selbst in der rechtsextremen Szene Deutschlands nur wenige tatsächlich unter diese Definition fallen dürften. Und in Rußland dürfte die Zahl gegen Null konvergieren.

Wer also auch immer diese Gegendemonstration organisiert hat - seien es nun Rechtsextreme, Rechtsradikale, gewaltbereite Nationalisten oder sonstwelche Leute - Neonazis waren es mit ziemlicher Sicherheit nicht.

Keine Kommentare: