Donnerstag, 22. November 2007

Killerspiele und Du, oder: Deutscher Aktionismus in Aktion

Ein wunderbares Video auf YouTube entlarvt die z.T. schlecht recherchierten, z.T. aber auch offensichtlich bewußt verfälschten Berichte zum Thema Killerspiele.

Link zum Video

Dienstag, 13. November 2007

Neuigkeiten zum Reiterstandbild

Vor wenigen Tagen kommentierte ich die Entfernung des Friedrich-Wilhelm-Denkmals vom Kölner Heumarkt.Seither hat sich viel getan. So hat der Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma nicht nur von mir, sondern vermutlich von sehr vielen Bürgern seiner Stadt Protest-Mails erhalten - entsprechend verkündete er zu den Feierlichkeiten am 11.11.:

Heute fehlt einer, der uns jahrzehntelang beim Fiere vom hohen Ross aus zugeguckt hat. Der gehört zum Fasteleer, der muss nächstes Jahr wieder mit uns feiern!


Zeitgleich veröffentlichte die CDU-Fraktion im Rat der Stadt Köln auf ihrer Website eine Erklärung. Darin heißt es unter anderem:

Es ist ein Skandal, dass trotz unserer intensiven Bemühungen um den Erhalt des Reiterdenkmals die Restaurierung bisher von der Rot-Rot-Grünen Ratsmehrheit ausschließlich aus ideologischen Gründen bewusst verschoben wurde und in der Folge die Auszahlung der im Haushalt eingestellten städtischen Mittel zur Durchführung der Renovierung davon abhängig gemacht wurde, dass die Bürgerschaft sich zu gleichen Teilen - in einem Umfang von 750.000 € - finanziell beteiligt. Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen nehmen damit in Kauf, dass ein Stück Stadtgeschichte verloren geht


Einmal mehr ist mir klargeworden, warum die Union - trotz all ihrer Fehler - für mich immer noch die einzige in Frage kommende Partei bleibt.

Schramma hat auch ein Spendenkonto für das Denkmal eingerichtet. Kommen 750.000 Euro zusammen, gibt die Stadt die andere Hälfte dazu und die Sanierung kann beginnen!

Spendenkonto:

Kontonummer 22 22 22 10
Bankleitzahl 370 501 98
Stichwort Reiterdenkmal oder Buchungsnummer 9709.222.4301.3
Sparkasse Köln-Bonn

Freitag, 9. November 2007

Vom Sockel gestoßen


Nach fast einem halben Jahr Sendepause melde ich mich wieder mit einem Blog-Eintrag. Lange genug hat es ja gedauert...

Wieso eigentlich? Nun, das liegt vor allen Dingen daran, daß ich mich in den letzten Monaten über nichts aufgeregt habe. Jedenfalls über nichts, das wichtig genug gewesen wäre, darüber zu bloggen. Doch die Zeiten haben sich geändert.

Ich bin Kölner und eigentlich immer sehr glücklich damit gewesen. Bis heute. Bis ich erfahren mußte, daß unser Stadrat ideologisch komplett verblendet ist.

Eigentlich kümmern die üblichen Grabenkämpfe der Parteien in der Kommunalpolitik ja eher wenig. Üblicherweise geht es hier um Entscheidungen, bei denen die ideologische Ausrichtung einer Fraktion keine großen Auswirkungen hat - praktische Probleme in der Stadtplanung usw. Aber wenn im Zuge der Haushaltsplanungen den "Linken" eine Steilvorlage gegeben wird, ist es natürlich aus mit der Einigkeit.

Wovon rede ich? Ich rede natürlich um den denkmalschützerischen Skandal, der sich momentan in der Domstadt abspielt. Kurzinfo: Ein Reiterstandbild Friedrich Wilhelms III., das auf dem Kölner Heumarkt aufgestellt war, wurde abgebaut. Begründung: Die Statik des Denkmals sei gefährdet, ohne Sanierung könne es nicht dort stehenbleiben.

So weit, so gut. Das ist ja alles noch nachvollziehbar.

Dumm nur, daß gar nicht (mehr) geplant ist, das Standbild zu restaurieren und auf seinen angestammten Platz zurückzustellen. Das war zwar ursprünglich so geplant, doch die hierfür veranschlagten Gelder wurden von der Ratsmehrheit (SPD, Grüne, Linkspartei) kurzerhand auf andere Objekte, v.a. Rathausfiguren, verteilt - unter leider konsequenzlosem Protest der CDU. Nicht, daß diese Objekte es nicht auch verdient hätten, saniert zu werden - aber die Prioritäten sollten jedem klar sein, der die Bedeutung des Preußenkönigs für das Stadtbild kennt.

Und selbst jemandem, der mit Köln nichts am Hut hat und sie nicht kennt, kann sich an fünf Fingern abzählen, daß diese ganze Aktion mit mangelnden Finanzen überhaupt nichts zu tun hat. Es ist schlicht und ergreifend die ideologisch begründete, geschichtsfremde Preußenfeindlichkeit der genannten Parteien, die hier den Ausschlag gegeben hat.

Typischerweise nehmen sie dann auch noch für sich in Anspruch, Volkes Wille umzusetzen. So behauptete die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Stadtrat, die Kölner wollten das Standbild gar nicht - genausowenig, wie sie das Original als König gewollt hätten.

Ich hingegen bin mir ziemlich sicher, daß sie die öffentliche Meinung damit gaaaaanz weit verfehlt hat. Ich hoffe einmal, daß sich dies auch in den nächsten Kommunalwahlen äußern wird und ich hoffe noch viel mehr, daß das schöne Reiterdenkmal unseres großen Königs bald wieder in neuem Glanz auf seinem angestammten Platz erstrahlen wird.

Aber auch damit ist nur das Symptom, nicht die Krankheit bekämpft. Durch historische Aufklärung müssen der Allgemeinheit Geschichte und Werte Preußens wieder nahe gebracht werden. Nur so kann echte Sensibilität für die Bedeutung von Denkmälern jenseits von linker Preußenfeindlichkeit und Antimonarchismus entstehen.

Ob man hier wohl an den unseligen Aufstand vor 89 Jahren erinnern wollte, der uns unsere Monarchie gekostet hat? Man weiß es nicht.

Samstag, 9. Juni 2007

Von Gipfelstürmern, grünen Männchen und Ninjas

Liebe Leser, ich habe so einen Hals.

Da ist der leidige und darüberhinaus auch noch unglaublich teure G8-Gipfel endlich vorbei; die einen sind zufrieden ob der tollen Kompromisse, die sie zum zehnten Mal gefunden haben, die anderen sind enttäuscht, weil ihre Erwartung war, daß sich die Regierungschefs der acht bedeutendsten Staaten unseres Planeten auf einen Master-Plan zur "Rettung der Welt in 10 Jahren" o.ä. einigen.

Politik, wie immer.

Nur an einem wird freilich heftige Kritik geübt. Wegen der Ausschreitungen, die das Spektakel in Heiligendamm begleitet hatten. Wegen des Eindringens einzelner Demonstranten in die Sperrzone. Wegen der Ausartung des Protests in sinnlose Gewalt.
Das alles kann, wie wir wissen, nur einer Schuld sein.

Aber wer? Die Rede ist natürlich vom Polizisten.

Die Deeskalationsstrategie der Polizei hat offensichtlich versagt. Das Ergebnis sind volle U-Haftzellen, unzählige Verletzte auf beiden Seiten und natürlich schlechte Reklame für unser Land. War die Polizei nur unfähig, diesen Ausbruch der Gewalt in unseren Städten zu verhindern? Oder war sie etwa nicht willens? Die fehlende Rücksichtnahme für die Demonstranten spricht doch schon Bände; die Versammlungsfreiheit in unserem Lande befindet sich, wie wir sehen, in einem Zustande, der mit der Volksrepublik China vergleichbar ist. Heiligendamm und Rostock sind unsere Plätze des Himmlischen Friedens.

Alle sind sich einig: Die Ignoranz der Polizei muß aufhören, wenn wir nicht in einem Terrorstaat leben wollen! Freie Meinungsäußerung muß gewährleistet werden und die Deeskalationskonzepte unsere Ordnungshüter müssen um Einiges verbessert werden, um solches in Zukunft zu verhindern!

Soso.

Nein, im Ernst: Wo leben wir eigentlich???
Da kommen Demonstranten an und demonstrieren (wie es ihre Natur ist) gegen den G8-Gipfel, für dessen Sicherung die Polizei dort in Hundertschaften abkommandiert wurde. Zugegebenermaßen demonstrieren viele da friedlich und das ist dann ja auch legitim.
Und dann betreten die "Autonomen" die Bühne, "Schwarzer Block" und wie sie alle heißen, und gehen auf die Polizei los.

Und was hört man als Kommentar in unserer Republik? Na klar: "Die Deeskalationsstrategie der Polizei hat (komplett) versagt."


Freunde des Longdrinks, die Polizei ist nicht - Nordpol Ida Cäsar Harald Theodor - dafür verantwortlich, daß potentielle Verbrecher (ja, genau: Verbrecher, wenn nicht gar Terroristen!) in ihren Häusern bleiben und Mohnstriezel essen, anstatt auf die Straße zu gehen und Randale zu machen.

Nein, wirklich nicht.

Die Polizei, liebe Regimekritiker, ist ein Apparat, der das notwendige Mindestmaß an öffentlicher Ordnung sichern soll, indem Verbrecher verfolgt und der Justiz übergeben und darüberhinaus kleinere Ordnungsvorschriften kontrolliert werden.
Die Polizei ist kein Erziehungsamt, das Leute mit Lutschern und Luftballons dazu bringen soll, lieb zu sein.
Natürlich gehört es zu den Aufgaben eines Polizeibeamten, mögliche Gewalttäter von einem möglichen Wutausbruch nach Möglichkeit abzuhalten. Aber manchmal gibt es eben kein "möglich"!

Bei Menschen wie dem "Schwarzen Block" gibt es nichts zu "deeskalieren", die sind schon eskaliert, wahrscheinlich von Geburt an oder sie haben die Eskalation mit der Muttermilch eingeflößt bekommen und zum sechsten Geburtstag ihr lächerliches Ninja-Kostüm. Apropos: Was ist eigentlich aus dem Vermummungsverbot in Deutschland geworden? Gibt's das eigentlich noch? Anscheinend nicht, oder es interessiert niemanden mehr so richtig.

Die Polizei reagiere zu "repressiv"... liebe Leute, die Polizei ist repressiv! Polizisten sind keine Sozialarbeiter, Polizisten sind die körperliche Manifestierung des staatlichen Gewaltmonopols. Diese Gewalt kommt dann eben auch, wenn es sich nicht vermeiden läßt, zur Anwendung - und wenn die Gegenseite von Anfang an auf Gewalt aus ist, liegt die Vermeidung nicht mehr in den Händen der grünen Männer.

Wenn jemand zu einer Demonstration geht mit der festen Absicht oder auch nur mit der grundsätzlichen Bereitschaft, dort gewaltsam gegen die Ordnungshüter oder gegen sonst irgendwen vorzugehen, ist das Spiel schon gelaufen. Da kann die Polizei machen, was sie will, aber mehr als Schadensbegrenzung wird da nicht mehr drin sein.

Daß in unserer Gesellschaft - obwohl: vermutlich ist das fast überall so - ein Problem mit der zunehmenden Zahl gewaltbereiter Extremisten besteht, darüber wird gern hinweggeschwiegen. Die Polizei ist natürlich ein idealer Sündenbock - Polizisten kann nämlich sowieso niemand leiden, weil sie einen blitzen, wenn man zu schnell fährt, weil sie einen immer dann anhalten, wenn man zufällig seinen Führerschein zuhause hat liegen lassen oder "nur ein Glas" getrunken hat, usw.

Fragen wir uns nicht, wie wir das Thema am besten beiseite oder auf wen wir es abschieben können. Fragen wir uns doch stattdessen, wo diese Radikalisierung insbesondere im sogenannten "linken" Spektrum, das heißt in diesem Falle bei den Autonomen, Kommunisten, Anarchisten, selbsternannten "Antifaschisten" usw., herkommt.
Ich selbst bin ja Student an einer größeren deutschen Hochschule, und als solcher sieht man so einiges. Plakate, Flugblätter, Transparente, Megaphone, T-Shirts: Alles ist toll, sofern es gegen die "Faschisten" oder die "Bonzen" geht. Wobei "Faschisten" in diesem Falle heißt "Leute, die nicht meiner Meinung sind" und "Bonzen" soviel wie "Menschen, die einer ordentlichen Arbeit nachgehen und dabei unmoralischerweise ein Gehalt jenseits der Armutsgrenze erwirtschaften".

Wer die Definition von Faschismus kennt, der weiß, daß das faschistisches Gedankengut ist, daß unter dem Deckmantel des "Antifaschismus" unters willige Volk gebracht wird.
Dagegen müßte man vorgehen, dagegen müßte man protestieren, solchen Leuten müßte man versuchen zu erklären, daß das, was sie da von sich geben, Mumpitz ist. Aber es traut sich keiner, weil eben jeder weiß, daß das gewaltbereite Leute sind und man außerdem ja nicht gegen "Antifaschisten" argumentieren kann, denn dann muß man ja logischerweise ein Faschist sein. Da ist es natürlich bequemer, sich mit ihren Ansichten einfach anzufreunden. Klingt vertraut, ist es auch, aber was soll man machen?

Gar nichts. Die Polizei wird's schon richten!

Donnerstag, 7. Juni 2007

Links, rechts, oder vorwärts?




Da im Moment abgesehen vom G8-Gipfel nichts zu passieren scheint in der Welt und ich schon Beschwerden erhalten habe, daß ich so lange nichts mehr geschrieben hätte, möchte ich hier eine etwas allgemeinere Abhandlung zum Thema "Rechts und Links" einstellen.

Und ich will jetzt nicht hören "Rechts ist da, wo der Daumen links ist!"
Darum geht es doch nicht! Es geht hier um Politik. Das ist eine sehr ernste Sache, und darüber macht man keine Witze. Nein, wirklich nicht.
Bevor es richtig losgeht, möchte ich aber eine Frage in den Raum bzw. ins Netz stellen:

Ist die FDP links oder rechts der Union anzusiedeln?

Höre ich eine Antwort? Nein? Na gut, ich warte noch ein bißchen...

...

Falls Sie jetzt eine Antwort haben, stellen Sie die Frage doch bitte fünf beliebigen anderen Menschen aus ihrem Bekanntenkreis (oder noch besser: verweisen Sie sie auf diesen Blog), und vergleichen sie die Antworten mit Ihrer eigenen.
Falls Sie keine Antwort haben: Glückwunsch.

Wenn man nämlich ehrlich zu sich selbst ist - und das sollte man sein, schließlich ist Ehrlichkeit eine Tugend und wenn man schon nicht sich selbst vertrauen kann, wem dann sonst? - also wenn man das ist, dann kann man sich auf diese Frage eigentlich keine Antwort geben, jedenfalls keine eindeutige, und wenn eine Frage, die nur zwei verschiedene Antworten überhaupt zuläßt, nicht eindeutig beantwortet werden kann, dann sollten wir uns fragen, ob wir diese Frage überhaupt fragen sollten. Fragen über Fragen.

Zäumen wir das Ganze einmal andersherum auf. Stellen wir uns einmal vor, wir lebten in einem Dorf. Wenn Sie tatsächlich in einem Dorf leben, erleichtert das die Sache natürlich erheblich; wenn sie aber in der Stadt wohnen, stellen Sie sich einfach vor, sie lebten an einem Ort, an dem die Häuser kleiner, die Entfernungen größer und die Menschen sich paradoxerweise trotzdem näher sind.
Stellen wir uns jetzt einmal vor, in diesem Dorf solle eine neue Kirche gebaut werden, z.B. weil die alte eingestürzt ist. Nur kann man sich in unserem Dorfe nicht einigen, wie denn die neue Kirche auszusehen habe: Die einen meinen, da solle ein moderner Neubau hin, andere wollen, daß das Gotteshaus so aussieht wie das alte.
Da wir keine teilnahmslosen Menschen sind, haben auch wir eine Meinung, und zwar eine von den beiden. Egal, welche.

Und da der Mensch Begriffe für die Dinge braucht, mit denen er zu tun hat, und seien diese noch so abstrakt, benennen wir die beiden Lager natürlich auch noch. "Wiederaufbaubefürworter" und "Neubaubefürworter" sind nicht kernig genug. Wie nennen wir also die beiden Lager?

Und da kommt uns eine Idee... nein, eigentlich drängt sie sich geradezu auf. Wir nennen die beiden Lager einfach...

Rechts und Links!

Daß da noch niemand drauf gekommen ist! Der Bezug zum Thema ist doch... äh... sonnenklar, und wenn man seine Positionen in diesem tollen geometrischen Modell erst einmal formuliert hat, wird die ganze Welt einfacher.

Nein, über Politik macht man keine Witze, aber wenn die Politik sich selbst zur Komödie macht, kann ich da auch nichts für. Im Ernst: Wer kommt denn bitte auf die schwachsinnige Idee, sich und andere politisch in "rechts" und "links" einzuteilen?

Wir wissen natürlich, wo das herkommt. Das kommt daher, daß im 19. Jahrhundert, als es noch nicht allzuviele nennenswerte Richtungen oder Parteien im Parlament gab, sich die einen zufällig rechts und die anderen links hingesetzt haben... manche behaupten, daß habe in der Paulskirche angefangen, wieder andere sehen das Debut (das ja ohnehin ein Gallizismus ist) in der französischen Revolution, aber das tut nichts zur Sache. Und eigentlich könnte es uns die ganze Chose (wieder einer!) egal sein, wenn die Sache nicht noch einen Haken bzw. eine ganze Reihe davon hätte.

Das offensichtlichste Problem taucht da auf, wo noch weitere Fraktionen die Bühne betreten. Z.B. könnten dann die sich zu Wort melden, die überhaupt keine neue Kirche im Dorf wollen, auf die man dann immer aufpassen muß, daß sie auch jeder da läßt.
Sind die jetzt links oder sind sie rechts? Das kommt natürlich darauf an, wo man sich selber sieht, und je nachdem, wo das dann ist, befindet sich diese von allen ungeliebte Partei im Dorf dann entweder in der "extremen Linken" oder der "extremen Rechten".

Da aber links und rechts natürlich entgegengerichtet sind, wird sich irgendwann eine der beiden Bezeichnungen einbürgern. Sagen wir: "rechts". das ist dann natürlich ein gefundenes Fressen für uns, wenn wir der linken Seite des 1-dimensionalen Meinungsraumes angehören. Denn dann sind die anderen mit diesen Emporkömmlingen, gegen deren extreme Haltung ein Konsens besteht (denn "extrem" kann schon nicht gut sein!), ja irgendwie verwandt. Also muß die andere Partei, will sie nicht aufgrund ihrer offensichtlichen Nähe zum "Rechtsextremismus" in Verruf geraten, sich immer weiter nach "links" bewegen.

Und dann kommt das nächste Splittergrüppchen an und verkündet, daß von nun an nicht etwa eine Kirche, sondern eine Moschee das Dorf zieren solle. Die wollen also keine neue und keine alte Kirche, aber bauen wollen sie ja etwas, also sind sie wohl "linksextrem", denn viel haben wir ja nicht mehr übrig.
Jetzt geht das Spiel natürlich von vorne los. Auf einmal muß sich die "Linkspartei(.PDS?)" nach "rechts" bewegen, um politisch lebensfähig zu bleiben.

Was ist eigentlich aus unserer Kirchendiskussion geworden? Richtig, die gab es ja auch noch!
Aber am Ende wird wohl nichts dabei herumkommen. Vielleicht bauen wir eine Kirche, die halb alt und halb neu und entsprechend dieser chimärenhaften Konstruktion vermutlich potthäßlich ist - hurra! - aber das ist schon der beste Fall. Im schlimmsten (=wahrscheinlichsten) Falle passiert überhaupt nichts.

Hiermit möchten wir unser Gedankenexperiment beenden. Wir kommen also zurück ins Deutschland des beginnenden 21. Jahrhunderts. Und was sehen wir da? Ein völlig ungeeignetes, weil viel zu grobes Modell zur Kategorisierung politischer Ansichten wird munter in Medien, im Alltag und auch von den Politikern selbst benutzt, um sich selbst gegen andere zu profilieren. Der Tatsache, daß man z.B. die Nationalsozialisten mehr oder weniger willkürlich ins "rechte" Spektrum gelegt hat, bewirkt nichts anderes als eine Diskreditierung vormals "rechter" Ansichten. Aufgrund unserer extremen Erfahrung mit den Nazis erfährt die "linke" Seite bei uns allerdings keine auch nur annähernd so starke Abwertung, obwohl Szenen, wie wir sie rund um den G8-Gipfel erleben durften und dürfen, das allemal rechtfertigen würden.

Kurz: Nazis sind böse, Nazis sind "rechts", also ist "rechts" böse; deswegen muß (logischerweise!) "links" gut sein. Oder doch lieber die Mitte - was auch immer das schon wieder sein soll.

Aber da hören die Übel dieser Geometrisierung der Politik noch nicht auf. Denn sie liefert nicht bloß Munition für die tägliche Schlammschlacht, die hierzulande eine Diskussion ersetzen soll, sondern verschleiert auch die tieferen Zusammenhänge. Zum Beispiel die Nähe von "Links"- und "Rechts"-Extremismus. Nicht umsonst nannte Hitler seine Bewegung den Nationalsozialismus und verwendete diese auch das gleiche Vokabular, um ihre Feinde zu brandmarken: So waren Systemkritiker im Dritten Reich - Monarchisten wie Republikaner - "Reaktionäre", welche das Volk um die "Errungenschaften der Revolution" bringen wollten. Der Nationalsozialismus war bzw. ist - ebenso wie der Sozialismus - eine egalitäre Bewegung, die auf die Nivellierung des Individuums zu einer amorphen Masse abzielt.

Wilhelm II., dessen eigene "rechte" Herrschaft durch den "linken" Umsturz 1918 beendet worden war, hat dies richtig erkannt:

"Die Nazis sind eine sozialistische Partei, die sich zum Bauernfang den Mantel Friedrichs des Großen umgehängt hat, worauf auch prompt alle hereingefallen sind."

Fallen wir auf solche Verkleidungen nicht herein, sondern betrachten wir lieber die nackten Tatsachen. Eine neue Sachlichkeit muß in die Politik und in unsere Gesellschaft einkehren. Nicht im Sinne fehlender Emotionalität - das will ich damit keinesfalls gefordert haben - sondern im eigentlichen, wörtlichen Sinne, also eine Sachbezogenheit in der Debatte. Nennen wir die Dinge beim Namen. Machen wir uns z.B. klar, daß wir Rassisten nicht deshalb ablehnen, weil sie angeblich "rechts" sind, sondern weil wir Rassismus für unvernünftig und menschenunwürdig halten.

So kommen wir meines Erachtens alle weiter, als durch billige Polemik, denn die kommt nicht umsonst vom griechischen Wort für "Krieg".

Freitag, 1. Juni 2007

Von Dichterfürsten und Schaumküssen




Wieder möchte ich eine Meldung der Tagesschau-Seite kommentieren, und zwar "Nordkorea zensiert deutsche Zeitschriften".

Für diejenigen, die den Artikel nicht in seiner Gänze lesen möchten: In Pjöngjang, der nordkoreanischen Hauptstadt, existiert eine Zweigstelle des Goethe-Instituts; im dortigen Lesesaal sind bzw. waren bis vor kurzem deutsche Zeitungen der einheimischen Bevölkerung frei zugänglich - unzensiert, versteht sich, und durch einen Vertrag mit der Regierung abgesichert. Aus sehr durchschaubaren Motiven hat die nordkoreanische Seite unilateral beschlossen, daß das so nicht mehr weitergehen könne, und die Zeitschriften entfernen lassen.

Man muß natürlich konstatieren, daß diese Aktion nur geringe praktische Auswirkungen hat. Es ist ja keineswegs so, daß halb Pjöngjang der deutschen Sprache mächtig wäre und täglich besagten Lesesaal aufsuchte, um sich die neuesten Informationen aus dem "freien Westen" zu holen. Tatsächlich leben in ganz Nordkorea, glaubt man den Angaben der Tagesschau, nur etwa 1000 Menschen, die unsere Sprache sprechen.
Und doch: Manchmal haben auch kleine Einflüsse eine große Auswirkung, und ich komme nicht umhin zu sagen, daß mich die Tatsache, daß das Goethe-Institut, gewissermaßen ja so etwas wie der kulturelle Außendienst unserer Nation, inmitten der Hauptstadt einer linksfaschistischen Diktatur (hallo Antifa!) so etwas wie ein begehbares Bollwerk, eine Missionsstation des ungeknebelten Wortes ist oder sein soll, mit Stolz erfüllt. Und daß die Nordkoreaner unsere Zunge so gewissermaßen als "Sprache der Freiheit" kennenlernen, ein Titel, den das Englische ja so gern für sich in Anspruch nimmt, kommt noch hinzu.

Doch spätestens hier sollten wir nachdenklich werden, und wenn wir etwas nachgedacht haben, sollten wir in den Spiegel schauen - den an der Wand und vielleicht auch den, den es am Kiosk gibt - und dann sollten wir ihn befragen, ob das mit der "Sprache der Freiheit" so seine Richtigkeit hat. Natürlich können Spiegel nicht sprechen, weder aus Glas noch aus Metall noch aus Papier, und das brauchen sie auch gar nicht, denn die Antwort gibt uns das verdutzte Gesicht, das uns aus ihm entgegenblickt, selbst.

Und worauf will ich hinaus? Auf unsere Sprache und wie wir mit ihr umgehen. Darüber kann man viel schreiben und hinterher kann man sich, wenn man dabei ehrlich war, eine Perücke aufsetzen, aber hier soll es um die Sache mit der Freiheit und mit der Zensur gehen.

Wieso? Wir haben doch Redefreiheit, freie Presse etc. pp., steht alles im Grundgesetz - was will der Mann eigentlich?

Natürlich sichert uns das Gesetz die Freiheit der Rede zu, und unsere Situation läßt sich mit der von Bürgern Nordkoreas nicht vergleichen, aber das sollte wohl auch nicht unser Maßstab sein. Fragen wir uns stattdessen: "Wie frei sind wir, ist unser Wort?" und "Wie frei wollen wir, soll unser Wort sein?" und beurteilen die Lage der Nation von diesem Standpunkte aus.

Tun wir das nämlich, so werden wir feststellen, daß wir gar nicht so frei sind, wie wir glauben, zu sagen, was wir wollen bzw. was wir meinen. Die Redefreiheit ist uns zwar gesetzlich zugesichert, aber solche Gesetze schützen uns freilich nur vor der staatlichen Einschränkung derselben, und dann auch nur soweit, wie nicht andere Gesetze damit kollidieren.
Was aber ist mit der nichtstaatlichen Zensur? Sowas gibt's? Ja, das heißt nur nicht so. Das heißt political correctness oder auch "politische Korrektheit" und ist einer der US-Exportschlager, wobei dieses Konzept hier in Deutschland auf besonders fruchtbaren Boden gefallen ist - aus offensichtlichen Gründen.

Diese Sache mit der "PC" ist sehr schwammig definiert, aber im Großen und Ganzen läßt es sich auf einen einfachen Nenner bringen: Begriffe, denen man mit mehr oder weniger überzeugender Argumentation eine negative Konnotation zuspricht, kommen auf eine Art ungeschriebene schwarze Liste, in eine Art vollverglasten verbalen Giftschrank. Dort hinein fällt der Blick des freien Menschen, unentwegt, und hin und wieder blitz es darin auf, vibriert es, weil ein Wort sich bei dem Gedanken, den er gefaßt hat, nicht mehr einkriegt vor Resonanz, und dann, manchmal, wird der Schlüssel umgedreht.

Und das war's dann.

Schon steht das Wort in der Zeitung und es muß allerhand über sich ergehen lassen: Es wird erbarmungslos aus dem Kontext gerissen, in den es sich gekleidet hatte, und so nackt vor allen Leuten muß es sich natürlich schämen, und schwindelig ist ihm auch von der ganzen Herumgedrehtwerderei - also wankt es wieder in sein Schränkchen und kauert sich in eine Ecke, daß es auch ja nie wieder herausmüsse.

Negerkuß!

So habe ich die süßen Dinger seit meiner Kindheit genannt und noch heute nenne ich sie so. Das Wort vermittelt mir - und ich möchte behaupten, den meisten anderen halbwegs vernünftigen Menschen auch - zwei Gedanken: "schwarz" und "lecker".

Aber einige Menschen haben Angst, daß dieses Wort mir aus irgendeinem für mich nicht nachvollziehbaren Grunde auch "Afrikaner sind doof" oder "Schwarze bestehen aus Schaumzucker und Schokolade" vermitteln könnte, und daher kommt es raus aus dem Süßwarenregal und rein in besagtes Giftschränkchen. Stattdessen heißt es jetzt "Schaumkuß", naja. Manche Leute, auch solche, die in dafür zuständigen Fabriken arbeiten, wie ich im Fernsehen einmal erleben durfte, setzen dem noch die sprachliche Krone auf und dieses so gekrönte Wort ist dann "Schaumzucker". Und daß das eigentlich die Bezeichnung für die Füllung des Produktes und darüberhinaus nicht abzählbar ist, interessiert auch niemanden - Hauptsache, niemand hat auch nur den geringsten Anlaß, sich stellvertretend für andere zu entrüsten.

Schweigen wir nicht gegenüber Staaten wie Nordkorea, kehren wir aber doch bitte gleichzeitig auch vor der eigenen Haustür.

Donnerstag, 31. Mai 2007

Ex oriente lux?



Auch als bekennender Nostalgiker kann und sollte man neuen technischen Entwicklungen stets aufgeschlossen gegenübertreten; das war schon immer meine Überzeugung. Auf der anderen Seite ist aber auch stets dort Vorsicht angezeigt, wo blinder, geradezu pseudoreligiöser Fortschrittsglaube dazu Anlaß geben soll, über Jahrhunderte und Jahrtausende gewachsene Traditionen und Lebensformen unhinterfragt abzuschaffen.

Man mag sich wundern über diese etwas allgemein gehaltene Einleitung, aber das konkrete Beispiel, das ich hier jetzt behandeln will, ist so eminent bedeutsam, daß es eine solche Grundsatzdiskussion durchaus rechtfertigt. Es geht um ein zentrales Kulturgut, es geht um ein uns alle täglich begleitendes Artefakt: Es geht um das Buch. Nicht ein spezielles Buch, sondern das Buch an sich.

Wie, wird der geneigte Leser sich jetzt fragen, kommt der auf sowas? Beim Stöbern auf der Internetpräsenz der Tagesschau fand ich folgende Meldung: "Japan: Boom bei E-Books und Handy-Romanen".

Daß man neuerdings vermehrt Texte (und auch andere Dinge - nur mit dem Essen, da hapert es noch) online "konsumiert", ist natürlich nichts Neues. Genausowenig wird uns überraschen, daß die Japaner diese neuen Möglichkeiten besonders intensiv nutzen. Geradezu beängstigend empfand ich aber folgende Aussage eines hierauf spezialisierten Verlegers, Herrn Suzuki:

"Auch in Japan hat man früher gesagt, dass die Leute nicht am Bildschirm lesen wollen. In Wirklichkeit hat das Papierbuch keine Zukunft."

Sollte das wirklich wahr sein? Wird das gute, alte Buch bald dem "E-Book", dem elektronischen Text, weichen?

In dieser Formulierung ist die Frage freilich etwas spekulativ. In die Zukunft schauen kann unter uns wohl niemand, auch nicht Herr Suzuki. Betrachtet man allerdings die letzten ca. eineinhalb Jahrzehnte der "Computerisierung" der Welt und extrapoliert davon ausgehend in die Zukunft, klingt die Ablösung des gedruckten Wortes durch das digitale gar nicht mehr so surreal.

Die Verfechter des Buchdrucks halten dem natürlich seit eh und je das Argument entgegen, lange Texte seien am Bildschirm mühselig zu lesen. Das sehe ich zwar selbst auch so, aber wie das Beispiel Japans zeigt, scheint das viele nicht mehr zu stören: Vielleicht ist es auch nur eine Frage der Gewöhnung? Ich weiß es nicht - ich weiß nur, daß die Entwicklung dieses Argument offenbar schon überrollt hat.

Und was sagen die E-Book-Optimisten? Ich nehme einmal Herrn Suzuki als prototypisches Beispiel: Der Vertrieb von Literatur über das Internet sei viel billiger als der Druck und der anschließende Transport sowie - nicht zu vergessen - die Lagerung derselben. Da sich das natürlich auf den Verkaufspreis niederschlage, diktiere das Gesetz des Marktes hier das Aussterben des Papierbuches.
Hinzu kommt, und dieses Argument füge ich selbst hinzu, daß elektronischer Text in vielerlei Hinsicht besser handhabbar ist als gedruckter. Er kann mit einem Computer durchsucht, kopiert, verschickt und verändert und auch sonst mit nach Format variierendem Aufwand als "Input" für Computerprogramme benutzt werden - hierzu allerdings später mehr.

Seien wir aber nicht so fatalistisch. Fragen wir nicht: "Wird das E-Book das Papierbuch ablösen?" Fragen wir stattdessen: "Wollen wir (eigentlich!), daß das das E-Book das Papierbuch ablöst?"
Denn letzten Endes sind wir es, durch die die Welt wird, was sie ist und die Zukunft, was sie sein wird, kein unbeeinflußbares, unkörperliches Schicksal, wie wir uns manchmal selbst einreden.

Mir persönlich ist die Vorstellung, Bücher grundsätzlich nur noch am Rechner lesen zu können, ein Graus. Sicher - die technischen Vorteile beim Bearbeiten und Durchforsten von Texten in elektronischer Form sind nicht von der Hand zu weisen. Hier müssen wir jedoch eins festhalten: Wir reden hier nicht nur von gemeinfreien Texten wie der Bibel. Wir reden von Material, das urheberrechtlich geschützt ist - und da geht natürlich der Spaß wieder los. Denn natürlich liefert der E-Book-Verlag des Herrn Suzuki uns keinen ganz normalen Klartext oder sonst ein Standardformat, natürlich erhalten wir stattdessen ein DRM-verseuchtes digitales Etwas, das wir dann nur an einem Computer mit speziell hierfür entwickelter Software lesen und natürlich keineswegs bearbeiten, nach Belieben kopieren und versenden können, wie es das Medium eigentlich erlaubt. Letzten Endes erwerbe ich also kein Buch - ich erwerbe eine "Nutzungslizenz" für einen Text.

Da man über Sinn und Unsinn des heutigen Copyrights ganze Bände schreiben kann und ich mich darüber auch gewiß noch gesondert auslassen werde, will ich an dieser Stelle nur knapp konstatieren: Es ist Blödsinn. Es ist verkehrte Welt. Diese ganzen Bestimmungen bzgl. der Vervielfältigung von Texten wurden aus dem einzigen Grund entwickelt, die Investitionen der Verlage in die sündhaft teuren Buchdruckmaschinen abzusichern - die aber jetzt gar nicht mehr anfallen.
Überhaupt: Ist die Argumentation Suzukis an dieser Stelle nicht ohnehin lückenhaft? Der Vertrieb digitaler Texte sei sehr günstig, behauptet er da: Ja schau an, tatsächlich, meint der Leser da doch, und wie hoch genau sind sie eigentlich? Null. Das kopieren eines digitalen Textes kostet nichts, das ist ja das schöne, darum geht es bei der Sache doch.

Nun müssen wir uns die Frage stellen: Welche Existenzberechtigung hat in einer Welt, in der das geschriebene Wort ohne merklichen Aufwand kopiert und verbreitet werden kann, noch der Verlag? Und mit welcher Begründung nimmt er noch Geld für die Dienstleistung, die gar keine mehr ist?

Hiermit haben wir die implizit gestellte, doch nicht ausgesprochene Frage "Cui bono?" auch schon mit beantwortet, denn hier liegt der Hase im Pfeffer: Was im Softwarebereich seit dem Aufstieg Microsofts Gang und Gebe ist, wollen interessierte Kreise nun offenbar auf die Literatur ausdehnen: Das Konzept, daß sogenanntes "geistiges Eigentum" über eine ominöse "Lizenzvereinbarung" an den Endkunden geliefert wird, die je nach Einzelfall die unglaublichste Gestalt annehmen kann.

Noch mag uns das nicht sonderlich beeindrucken. Sobald aber das Internet der einzige Zugang zu Literatur ist - und Literatur ist eben notwendig! - wird (würde? könnte?) das Ganze geradezu Orwellsche Dimensionen annehmen: Dann muß man nämlich einen Computer besitzen, der die entsprechende (proprietäre) Softwareausstattung besitzt, und diese Ausstattung muß dann natürlich irgendwie kontrolliert werden, damit der Nutzer auch ja keinen verbotenen Unsinn mit seinen Büchern anstellt, wie z.B., sie seinen Freunden zu schicken.

Aber verlassen wir einmal das leidige und, wie gesagt, hier ohnehin nur kurz anreißbare Thema "Copyright", denn es könnte sowieso schlimmer kommen: Stellen wir uns einmal vor, ein Buch würde verboten. Einfach so. Staatliche Willkür. Soll ja hin und wieder vorgekommen sein.
In der schönen neuen Welt des Herrn Suzuki braucht der Staat nur kurz beim Verlag anzurufen, und das Buch ist futsch - eine entsprechende Gesetzeslage wird hier freilich vorausgesetzt, aber wenn wir uns ansehen, welchen Widerstand heute sowohl im Copyright als auch im Datenschutz unsere gewählten Volksvertreter den Bemühungen der Lobbyisten entgegenbringen, dann können wir dieses Gedankenexperiment durchaus machen, ohne uns allzuweit aus dem Fenster zu lehnen. Und wer das Buch schon hat, der bekommt kurzerhand die Lizenz entzogen, das Buch wird automatisch gelöscht, und der Endkunde bekommt vielleicht großzügig die Gebühr rückerstattet, die er dafür bezahlt hat.

Das ist das Problem: Das E-Book beruht auf moderner Technologie, und Technologie kann in die falschen Hände geraten. Und selbst wenn wir davon ausgehen, daß sich die oben beschriebene Zukunftsvision als unzutreffend erweist, werden wir auf praktische Probleme stoßen, die aber dieselbe fundamentale Ursache haben: Zum Beispiel ist die Lebensdauer heutiger digitaler Medien ziemlich bescheiden. Nach wenigen Jahrzehnten hat die beste CD den Geist aufgegeben, magnetische Datenträger wie Festplatten sowieso. Erstaunt? Das weiß man schon lange, aber es fällt selten auf, weil es diese Medien eben noch nicht lange genug gibt!

Keines dieser Probleme kennt in dieser Form das Buch. Wenn ich es einmal besitze, kann es mir niemand mehr ohne Weiteres wegnehmen. Um es zu lesen, brauche ich keine zusätzliche Technologie. Ich kann es mir ins Regal stellen, wo es freilich Platz wegnimmt - aber gewisse Dinge im Leben brauchen nun einmal ihren Raum. Ich kann es jemandem verleihen oder schenken, ohne einen Dritten um Erlaubnis zu fragen. Und eine gewisse Verarbeitungsqualität und entsprechende Sorgfalt vorausgesetzt, kann es Jahrhunderte überdauern.

Das Buch ist da, es ist greifbar, es ist fühlbar - kurz: Es existiert, und zwar nicht nur abstrakt wie das E-Book. Das E-Book ist digitalisierte Information; es ist pneumatisch, ätherisch, flüchtig. Das Buch ist konkret. Es existiert in der physikalischen Welt, als Objekt, als Körper, wie der Mensch, denn der Mensch ist bei aller Geistigkeit und Geistlichkeit eben kein abstraktes, sondern ein ganz und gar physisches und sinnliches Wesen. Und auf diese natürliche Weise sinnlich, sensorisch erfahrbar ist ihm eben nur das Buch und kein noch so hochentwickelter Abklatsch davon.

Vielleicht ist der letzte Abschnitt etwas zu sehr ins Philosophische abgeglitten, aber wie ich eingangs bereits darlegte, hat das Thema nach meinem Dafürhalten eben eine solch tiefgründige Bedeutung, daß man es nur in dieser Sprache überhaupt adäquat darstellen kann.
Um es zu konkretisieren: Ich finde es z.B. toll, ja geradezu sensationell, daß die Bibel elektronisch verfügbar ist. Sie ist ein gemeinfreier Text und unterliegt keinen künstlichen wirtschaftlich motivierten Schranken, wie z.B. einem Kopierschutz. Im Internet ist sie in allen möglichen Sprachen lesbar. Deutsch, Griechisch, Hebräisch, Lateinisch, Französisch, Englisch, was auch immer, überall auf der Welt und jederzeit. Man kann sie durchsuchen, wenn man gerade den Kontext oder genauen Wortlaut eines Zitates erfahren will, man kann online nach einer Übersetzung suchen, die man für eine fremdsprachliche Diskussion benötigt, u.dgl.m.

Aber die Bibel im Regal ersetzt mir das nicht, und darum geht es hier.

Ein Dankeschön

Bevor ich mit meinem nächsten Artikel loslege, möchte ich mich erst einmal bedanken für die vielen positiven Rückmeldungen, die ich für mein Blog bislang bekommen habe, und die mich in der Überzeugung bestärkt haben, daß dieses Projekt eine gute Sache ist.

Für alle, die ob meines Artikels zum Fall Konstantinopels verwirrt waren: Ja, das Datum war falsch. Die Belagerung endete natürlich am 29. Mai 1453. Freundlicherweise hat Windthorst, von dem ich ja auch ursprünglich die Idee für den Artikel hatte, mich auf diesen Fehler hingewiesen. An dieser Stelle noch einmal vielen Dank.

Im Übrigen möchte ich alle meine (noch wenigen, aber wer weiß...?) Leser ermutigen, fleißig von der Kommentarfunktion Gebrauch zu machen.

Dienstag, 29. Mai 2007

Un très bref discours de la mani(e)



Bildquelle: Rheinische Post Online

Es ist eine absurde Eigenschaft der modernen (oder sagt man schon "postmodernen"?) Gesellschaft, daß um Begriffe, von denen eigentlich jeder nur eine sehr vage Vorstellung hat, grundsätzlich am leidenschaftlichsten gerungen wird. Betrachten wir einmal das Beispiel "Globalisierung": Jeder ist dafür, dagegen oder beides, und jeder meint, seinen Senf dazugeben zu müssen, aber fragt man jemanden, um was es überhaupt geht, erhält man mindestens so viele verschiedene Antworten wie Gesprächspartner.

Vor dem Hintergrund dieser Tatsache wirken Aufnahmen wie die obige noch skuriller und zugleich noch erschütternder: Ist es in Deutschland schon so weit gekommen, daß brennende Barrikaden, Pfefferspray und fliegende Steine eine politische Diskussion ersetzen? Antwort: Ja, und zwar schon lange, etwa seit 1968.

Gehen wir nun der allseits beliebten Frage "Warum?" nach, vielleicht noch erweitert um das der philosophischen deutschen Seele gerecht werdende epitheton ornans "eigentlich" - fragen wir also: "Warum eigentlich?"
Die vielbemühte "Verrohung der Gesellschaft" mag die grundsätzlich gestiegene Bereitschaft zum Skandieren hirnloser Parolen und zum begleitenden Einsatz von Wurfobjekten erklären, nicht aber die Frage, wieso gerade bei G8-/EU-/Asem-/etc.-Gipfeln sich besagte Bereitschaft so prominent manifestiert.

Eine Antwort ist natürlich dadurch gegeben, daß sich bei solchen Treffen Vertreter von Staaten treffen, noch dazu von reichen Staaten, und wo "reich" und "Staat" in solcher Harmonie zusammenkommen, da hat man natürlich sofort den Zorn der sogenannten Autonomen erregt, die in Massen herbeiströmen, um energisch und zur Not auch gewaltsam ihrem Unmut darüber Luft zu machen, daß sich da Leute treffen, mit denen sie nichts zu tun haben wollen.

Aber nein, auch das ist noch nicht alles: Es geht, wie wir ja bereits eingangs festgestellt haben, hier um die Globalisierung. Eigentlich ist der Begriff an sich schon ein bißchen unglücklich, stammt er doch vom lateinischen globus ab, was soviel wie "Kugel" oder "Ball" bedeutet. Wir sollen also gekugelt werden oder auch ballifiziert (balla-balla?), aber auch das hilft nicht wirklich weiter - nein, es geht hier natürlich um den Erdball (der eigentlich ein Ellipsoid ist, aber darüber wollen wir gnädig hinwegsehen).

Da sich über diese etymologische Betrachtung hinaus auch noch weitere Schwierigkeiten bei der Definition dieses Begriffes ergeben und das bei einem Politikum eher hinderlich ist, wollen wir hier einzelne Aspekte betrachten, die definitiv zu der Entwicklung, die gemeinhin als Globalisierung bezeichnet wird, gehören.

Zum einen wäre da die Entstehung und Begünstigung von Konzernen zu erwähnen, die über Ländergrenzen hinweg operieren und einige Länder mittlerweile in den ihnen zur Verfügung stehenden monetären Mitteln gar übertrumpfen. Zum anderen erhöht sich aber auch die Mobilität des Einzelnen, sowohl physisch als auch kommunikationstechnisch.

Letzterer Punkt ist wohl positiv hervorzuheben; ersterer, der wohl am meisten die Gemüter vor allem im sozialistischen Lager erregt, muß aber kritisch betrachtet werden.
Ich bin beileibe nicht Teil dessen, was man gemeinhin als "linkes Spektrum" bezeichnet (über Sinn und Unsinn solcher Zuordnungen möchte ich mich an anderer Stelle gesondert äußern). Aber wenn die Wirtschaft den Nationalstaaten buchstäblich über den Kopf bzw. über die Grenzen wächst, wird es eng. Ganz eng. So eng, daß Sozialisten und Konservative, Monarchisten und Republikaner, Patrioten und "Deutschland verrecke!"-T-Shirt-Träger eigentlich zusammenrücken müßten, um sich der dunklen Bedrohung entgegenzustellen.

Tun wir das? Nein. Und warum (eigentlich) nicht? Weil unsere Opposition zur Globalisierung bzw. zur genannten Ausprägung derselben völlig unterschiedliche weltanschauliche Hintergründe hat. Die einen wollen den Nationalstaat retten, die anderen sehen den Nationalstaat als Wurzel des ganzen Übels, und wieder andere verfolgen den Ansatz:

Phase 1: Hochhaus in die Luft jagen!
Phase 2: ???
Phase 3: Profit!,

aber das ist theoretisch irgendwie noch nicht ganz ausgereift, weswegen von der praktischen Umsetzung an dieser Stelle ausdrücklich abgeraten wird.

Und zu dieser ganzen Wurst jetzt noch mein Senf: Wenn Globalisierung heißt, daß die Mobilität des Menschen in der Welt in der oben beschriebenen Weise zunimmt, dann: Ja, bitte.
Wenn sie aber nichts anderes ist als das politisch korrekte Wort für "Amerikanisierung" (und das ist in den USA tatsächlich der Fall!), für die Ablösung des Vaterlandes durch den Mutterkonzern (ist das frauendfeindlich?), für die Nivellierung der historisch gewachsenen Sprachen, Kulturen, Traditionen und Lebensgewohnheiten unseres Planeten zu einem angelsächsisch-sprechenden Stars-and-Stripes-Einheitsbrei, dann: Nein.

Ohne "Danke".

Der Fall Konstantinopels



Heute vor 554 Jahren, am 29. Mai 1453, fiel Konstantinopel an die Türken unter Mehmed II.
Windthorst
hat dazu bereits einen Post geschrieben, der sich hauptsächlich mit dem letzten Kaiser des Oströmischen Reiches befaßt. Ich hingegen möchte an dieser Stelle eine Einordnung in den historischen Kontext versuchen, und welche Rolle dieses Ereignis für uns heute spielt.

Entgegen landläufiger Meinung ist das Römische Reich nicht im 5. Jahrhundert untergegangen. Der östliche, mehr griechisch als lateinisch geprägte Teil überlebte und schaffte es sogar kurzzeitig, einen Großteil der verlorenen Gebiete (v.a. Italien) zurückzuerobern. Mit der Kirchenspaltung von 1054 - die mehr politisch als theologisch motiviert war - war das Reich vom lateinisch-katholischen Rest Europas abgetrennt. Die islamische Expansion hatte ihm bereits zuvor viele wirtschaftlich wie auch kulturell bedeutende Gebiete, vor allem Ägypten, entrissen. Als die Muslime auch Palästina erobert hatten, wurde Rom hellhörig, und so nahmen die Kreuzzüge ihren Lauf. Ironischerweise war es einer dieser Kreuzzüge, in dessen Verlauf die westlichen Ritter Konstantinopel plünderten. Dies ist übrigens die Wurzel der Abneigung, die dem Katholizismus noch heute im orthodoxen Raum entgegenschlägt. Erst durch diese Plünderung nämlich sank Ostrom auf den Status einer Regionalmacht herab, bis es schließlich nicht mehr in der Lage war, seine Bollwerkfunktion für Europa einzunehmen. Erst hierdurch war es den Türken möglich, den Balkan zu erobern und schlußendlich bis vor die Tore Wiens vorzudringen.
Die Osmanen aber konsolidierten ihre neugewonnene Macht weise: Anstatt die oströmische Kultur vollständig zu zerschlagen, machten sie Konstantinopel zu ihrer neuen Hauptstadt und übernahmen einen Großteil des Beamtenapparates. Wäre nicht das Christentum hier dem Islam gewichen, könnte man fast von einer translatio imperii sprechen.
Was die osmanischen Sultane nicht getan hatten, vollbrachte die nach dem Ersten Weltkrieg ausgerufene, nationalistisch orientierte türkische Republik in wenigen Jahren: Der noch immer bedeutende Anteil griechisch-orthodoxer Bevölkerung in Konstantinopel wurde - wie auch die Griechen, die seit der frühen Antike an der Küste Kleinasiens gesiedelt hatten, Jahrtausende, bevor der erste Türke seinen Fuß auf das Gebiet der heutigen Türkei gesetzt hatte - kurzerhand vertrieben, und aus Konstantinopel wurde Istanbul.

Welche Rolle spielt das alles für uns heute?
Das Oströmische Reich (ich vermeide bewußt die Bezeichung "byzantinisch", weil sie anachronistisch ist) konservierte ein Jahrtausend lang unschätzbares Wissen aus der Antike, das im Westen verlorengegangen war. Die aus Konstantinopel vor den Türken flüchtenden Oströmer begeisterten die europäischen Intellektuellen für die Sprache und Kultur der alten Griechen, was einer der Auslöser der Renaissance war und damit das Ende des Mittelalters einleitete, weswegen das Jahr 1453 auch gern als Epochenmarke angegeben wird.
Auf der anderen Seite ist die Einnahme Konstantinopels auch einer der Hauptgründe, warum wir heute über den EU-Beitritt der Türkei diskutieren: Weil Konstantinopel ureuropäisches Gebiet ist und es merkwürdig anmutet, daß es nicht dazugehören soll.

Am 29. Mai 1453 fiel Konstantinopel - das von dort beherrschte Reich hatte in einzigartiger Weise das in sich vereint, was wir heute als Fundament Europas sehen: Die christliche Religion, die griechische Kultur und das römische Staatswesen. Wenn wir heute des Untergangs dieser uns fremden und doch merkwürdig vertrauten europäischen Teilzivilisation gedenken, dann geschieht das mit einem lachenden und einem weinenden Auge: Wir betrauern den Verlust Ostroms in dem steten Bewußtsein, daß es in Europa weiterlebt, so wie z.B. auch in Deutschland Preußen weiterlebt.

Höher, schneller, weiter - Das moderne Kino und das "Matrix-Syndrom"

Trotz meiner häufigen Kritik an den überhand nehmenden angloamerikanischen Einflüssen in unserer Gesellschaft muß auch ich bekennen, daß ich die Produkte der US-Film-und-TV-Industrie dankend konsumiere.Hand aufs Herz: Nicht alles aus der Traumfabrik ist platt, nicht alles, was platt ist, ist auch gleich schlecht, und zuweilen blitzt sogar der Funke der Genialität aus dem Zelluloid, auch wenn ich mit guter Unterhaltung schon mehr oder weniger zufrieden bin.

Soviel zu US-Filmen allgemein, doch was soll der Titel dieses Posts damit zu tun haben? Nun, eigentlich beziehe ich mich hier auf einen ganz konkreten Film, nämlich Pirates of the Caribbean III oder auch Fluch der Karibik III (ich ziehe in diesem Falle den Originaltitel vor, weil die deutsche Übersetzung sehr ungeschickt ist).
Es scheint seit einiger Zeit ein ungeschriebenes Gesetz in der Filmindustrie zu geben, demzufolge sich Filmreihen grundsätzlich von einem Teil zum nächsten immer weiter zu einem Werk epischer Breite wie Der Herr der Ringe hochschaukeln müssen. Nun ist das bei letzterem auch durchaus passend; Beispiele wie die Matrix-Reihe zeigen aber, wie man mit diesem Konzept erfolgreich den ganzen Charme des ersten Teils nach und nach auf dem Altar der Computereffekte opfert.
Nicht ganz so schlimm ist es mit dem neuesten Abenteuer unserer karibischen Helden; ein paar Lacher sind drin, an einigen Stellen kommt vielleicht sogar genuine Spannung auf - aber letzten Endes setzt man auf ein fast dreistündiges Effektfeuerwerk, das nach wenigen Minuten den Zuschauer abstumpft.

Wenn aber Effekte nicht mehr dazu verwendet werden, eine Geschichte besser zu erzählen, sondern im Gegenteil die Geschichte nur noch als Plattform zur Präsentation der neuesten Computertechnik dient, dann kann das meines Erachtens dem Kino als Ganzem nicht gut tun. Hoffen wir auf eine Rückbesinnung auf cineastische Tugenden, auch wenn das Gesetz des Dollars das Gegenteil diktiert.

Unser neues Alphabet

Mitunter treibt der momentan in Mode befindliche Anglozentrismus recht seltsame Blüten, zum Beispiel hier bei Blogger.
Gehe ich in meinem Blog auf "Anpassen", so finde ich eine Option, die folgendes bewirkt:

"Fügt eine Schaltfläche auf der Symbolleiste des Post-Editors hinzu, mit der englische Schrift in Hindischrift umgewandelt wird."

Es fällt nichts auf? Dann bitte noch einmal lesen.
Immer noch nicht? Siehe oben.

Englische Schrift. Soso.

Zugegeben: Es gibt so etwas wie eine "englische Schrift", nämlich die "Copperplate", eine englische Schreibschrift; genauso gibt es auch eine "deutsche Schrift", das ist die Gesamtheit der gebrochenen Schriften, z.B. Fraktur, Kurrent und Sütterlin.

Aber irgendwie bezweifle ich, daß solche kalligraphischen Feinheiten hier gemeint sind, nein: Gemeint ist freilich das vom Englischen wie vom Deutschen und auch den meisten anderen indogermanischen Sprachen verwendete Schriftsystem, das man aus gutem Grunde gemeinhin das lateinische Alphabet nennt.

Doch in der "globalisierten" Welt braucht so etwas natürlich niemand mehr zu wissen; fragt sich nur, wann der letzte Schritt vollzogen wird und wir fortan das Deutsche in amerikanischen Buchstaben schreiben - falls wir unsere Sprache dann überhaupt noch benutzen dürfen.

Von Grünen, Russen und Neonazis

Es ist ja jetzt schon einige Tage her, aber dennoch möchte ich es hier kommentieren: Die Festnahme des Grünen-Abgeordneten Volker Becks in Moskau während der Teilnahme an einer untersagten Homosexuellen-Parade, bei der es wohl etwas rau zuging.

Wer mehr über die Hintergründe erfahren will, den verweise ich auf Google oder auf den Spiegel.

Schon ist in unserer Bana-... ähm... Bundesrepublik der Aufruhr groß: Beim G8-Gipfel solle Frau Kanzlerin Merkel doch gefälligst gegen so etwas bei Putin protestieren, und überhaupt, was fällt den Russen eigentlich ein, eine Schwulendemo zu verbieten?

Über den Verlauf der Festnahme und der Demonstration kann ich schwerlich etwas aussagen, da ich nicht anwesend war. Auch über das Verbot der Schwulendemo kann man diskutieren, was ich aber jetzt nicht tun werde, weil es nicht den Kern der Sache trifft; dieser nämlich ist, daß der gute Herr Beck in ein fremdes Land gereist ist mit der Absicht, an dieser Parade teilzunehmen im vollen Bewußtsein, daß diese aufgrund des enormen Krawallpotentials behördlich verboten worden war - und sich dann hinterher lautstark beschwert, daß er bei dem (wie gesagt zu erwartenden) Tumult etwas abkriegt und dann auch noch verhaftet wird.

Lieber Herr Beck: Es obliegt Ihnen als Mitglied des Bundestages nicht, in anderen Ländern Ihre Vorstellungen von Versammlungsfreiheit und sexueller Selbstverwirklichung unters Volk zu bringen.
Wer in ein anderes Land reist und dort vorsätzlich die Gesetze bricht, muß damit rechnen, daß er dann auch einmal ganze zwei Stunden in U-Haft verbringen darf.

Hiermit will ich nicht das gewaltsame Vorgehen der Gegendemonstranten rechtfertigen. Was ich sagen will ist das, was ich gesagt habe: Wer die Hand auf die Herdplatte legt, verbrennt sich.

Dann möchte ich noch ein Wort zur Berichterstattung verlieren, und dieses Wort heißt "Neonazis". Genaugenommen sind es zwei Wörter, nämlich "mutmaßliche Neonazis" - dieser Begriff taucht in den Medien in Zusammenhang mit diesem Vorfall bzw. mit den involvierten gewaltsamen Gegendemonstranten auf, so z.B. auch in oben verlinktem Spiegel-Artikel.
Denken wir einmal scharf nach: Ist es plausibel, daß es in Rußland, das zig Millionen Opfer im Kampf gegen das Dritte Reich zu beklagen hat und noch heute stolze Militärparaden zur Feier der deutschen Kapitulation 1945 auffahren läßt, eine nennenswerte Neonazi-Szene gibt? Eine, die über die Nennenswertigkeit hinaus sogar imstande ist, eine großangelegte Gegendemonstration zu einer Homosexuellen-Parade zu organisieren?

Irgendwie nicht!

Aber überraschen tut es mich auch nicht. Der Begriff "Neonazi" wird heutzutage in einer derart inflationären Weise benutzt, daß niemand mehr so recht weiß, was er eigentlich bezeichnet - es aber zu wissen glaubt. Dabei ist "Nationalsozialist" und dementsprechend auch "Neo-Nationalsozialist" ein relativ scharf definierter Begriff für den Anhänger einer spezifischen Weltanschauung. Diese Weltanschauung ist zwar selbst ein wenig ungenau umgrenzt, weil sie völlig blödsinnig ist und sich im Wesentlichen aus anderen das zusammenklaut, was ihr gerade paßt, aber es bleibt dennoch festzustellen, daß selbst in der rechtsextremen Szene Deutschlands nur wenige tatsächlich unter diese Definition fallen dürften. Und in Rußland dürfte die Zahl gegen Null konvergieren.

Wer also auch immer diese Gegendemonstration organisiert hat - seien es nun Rechtsextreme, Rechtsradikale, gewaltbereite Nationalisten oder sonstwelche Leute - Neonazis waren es mit ziemlicher Sicherheit nicht.

Montag, 28. Mai 2007

Fiat lux! Über die Geburt eines Blogs und das Bloggen an sich - und über mich.

Ich bin ein Mensch, der viel, gern, und auch gern viel nachdenkt - über alles, was ihm gerade in den Sinn kommt - und die Ergebnisse seiner geistigen Arbeit auch seinen Mitmenschen mitzuteilen beliebt, mündlich wie auch in Schriftform.

Einer dieser Grübeleien entsprang eines Tages - nämlich heute - der Entschluß, daß einer wie ich sich doch endlich auch der kommunikativen Segnungen der Technik bedienen müßte, die es jedermann ermöglichen, die Welt mit seinen Gedanken zu beglücken.

Da stellte sich mir natürlich zunächst die allgemeine Frage: Ist das denn nicht gefährlich, wenn jeder auf einmal zu allem etwas schreiben und jeder es lesen kann? Da könnte man ja den letzten Unsinn unters Volk bringen!
Ein Blick in die professionelle Medienlandschaft, das realexistierende Paradies der intellektuellen Elite Deutschlands, hat mich schnell davon überzeugt, daß der in dieser Hinsicht maximal anrichtbare Schaden vernachlässigbar ausfällt.

Doch dem Leser wird vielleicht eine ganz andere Frage auf der Zunge liegen: Paßt das überhaupt zusammen, ein Nostalgiker, wohlgemerkt ein bekennender solcher, als Blogger?

Kurze Antwort: Ja.
Lange Antwort: Nein.
Längere Antwort: Eigentlich nicht.
Noch längere Antwort: Eigentlich nicht... oder doch?

Noch viel, viel längere Antwort:
Wie jeder Mensch, der sich um die Welt ein bißchen Gedanken gemacht hat, stecke ich voller Widersprüche; vielleicht liegt das daran, daß die Welt an sich voller Widersprüche steckt und sich die kontemplative Beschäftigung mit ihr zwangsläufig auf einen abfärbt.
So bin ich der Nostalgiker, der dem Glanz des Vergangenen nachtrauert, ohne indes die Hoffnung einer Renaissance gänzlich verloren zu haben. So bin ich ein Physikstudent (pardon: -studierender), der morgens um acht Uhr in der Uni antanzt, um Griechisch zu lernen. So bin ich gleichzeitig computerbegeisterter Linux-Geek und passionierter Fortschrittsskeptiker.

Dieses Journal ist ein Versuch. Die Windmühlenflügel unserer Welt, die der Zeitgeist vor sich her bläst, scheinen uns oft so unaufhaltsam, daß der Blick auf sie uns in Hypnose versetzt; eine geistige Trägheit macht sich breit in der Welt, die jeden widrigen Gedanken im Keim erstickt und wir sehen einen neuen Kosmos vor uns Gestalt annehmen, dessen Natur wir nur vage erahnen können, an dem die meisten aber jede Möglichkeit der konstruktiven Anteilnahme, ja gar jede Form der Kritik, längst aufgegeben haben. So wird der Mensch zum Sklaven einer Zeit, die hochtrabend seine Befreiung verkündet.

Natürlich ist dies nicht in dem Sinne zu verstehen, daß sich dieses Blog nur mit solch existenziellen Fragen der Menschheit befassen oder gar Patentrezepte zu ihrer Beantwortung bereithalten wird: Ich werde mich auch zu trivialeren Dingen äußern und letzten Endes obliegt es dem Leser, seinen eigenen kleinen Teil der Wahrheit für sich zu entdecken. Vielleicht können wir die Teile dann irgendwann zusammensetzen und sind alle schlauer geworden.

Ich schließe mich einem Aphorismus von Nicolás Gómez Dávila an:

"Meinesgleichen sind nicht die, die meine Schlußfolgerungen akzeptieren, sondern die, die meinen Widerwillen teilen."